Sonntag, 11. August 2019

Falta solamente un poco

El Penultimo

Weniger als eine Woche fehlt mir noch, bis ich mich ins Flugzeug Richtung Heimat setze.
Ich werde Argentinien vermissen, so viel steht schon mal fest. Keine Ahnung wie es für mich wird, wenn ich Schweizer Boden unter den Füssen habe und voll wieder in den Ernst des Lebens eintauche. Bereits Marius, der "nur" vier Wochen vor Ort war, hatte seine Mühe bei seiner Rückkehr ;-) Wir werden es sehen...
Am Sonntag ging ich an einen Spanischkonversations-Event. Gemütlich in einem Café in Parlermo sitzend, traf ich auf spannende Menschen, spielte ein cooles Kartenspiel (Card Against Humanity Version Argentina) und unterhielt mich mit meinen begrenzten Spanischkenntnissen.
Neben einigen nicht ganz jugendfreien Begriffen lernte ich auch wieder kleinere sprachliche Facetten besser kennen und konnte einfach durchs Zuhören mein Hörverständnis etwas verbessern. Doch es ist und bleibt nicht einfach. Mir fehlen die Nuancen, die ich während dem Sprechen miteinfliessen kann. So oft möchte ich mich profunder und vielseitiger ausdrücken, doch es gelingt mir nicht. Es ist als würde man Apfelschorle trinken, allerdings Süssmost bevorzugt. Man schmeckt zwar den Apfelsaft, doch er ist mit Mineralwasser verdünnt.

Die neuen Volunteers aus Deutschland sind angekommen. Gegen all meine Befürchtungen sind diese sehr nett, anständig und offen. Ich habe richtig Gefallen an meiner Rolle als WG-Koordinator und Ansprechperson gefunden. Interessant zu sehen, was sie mich alles fragen und welche Aspekte die noch jungen Menschen beleuchten, an die ich zweitweise, gar nicht denken würde. Zwischendurch braucht es Andere, damit man selbst wieder aus dem Alltagstrott rausgezogen wird und sieht, was sich alles schon ereignet hat. Quasi im positiven Sinne einen Spiegel vorhalten. 
 
Gestern war ein emotionaler Tag und ich hatte ein ziemliches Schlüsselerlebnis im Projekt.
Zum ersten und vermutlich aufgrund der wenigen Zeit auch letzten Mal durfte ich eine Aktivität mit allen Kindern "leiten" (die Idee stammte von mir, sprachliche + organisatorische Mithilfe von Ben und Sergio). Es ging darum, dass jedes Kind auf ein kleines Kärtchen etwas aufschrieb, dass es nicht mehr in seinem Leben haben möchte. Egal ob es nun irgendwelche Ängste, Scham oder dergleichen ist. Dieses Stück Papier wurde anschliessend gefaltet und als symbolischer Akt ins Feuer geworfen. Das Alte ist vergangen, Neues bricht auf. Ich bin eine visuelle Person und liebe es daher Dinge zu visualisieren. Wenn dabei sogar noch eine kleine spirituelle Note beigemischt wird, umso besser. Danach gab es einen kleinen rechteckigen Karton, worauf man genau das Gegenteil schrieb oder zeichnete. Was will ich in meinem Leben? Etwas Negatives wird also durch etwas Positives ersetzt.
Der grosse Aha-Moment kam erst bei der täglichen Austauschrunde, nachdem die Kinder bereits gegangen waren. Ich hatte das Gefühl, dass meine Aktivität vielleicht doch etwas zu tiefgründig war. Denn anhand der Reaktionen von einigen wurde ich etwas verunsichert und auch allgemein war die Stimmung eher etwas aufgeheizt an diesem Nachmittag. Als ich jedoch sah, was die Kinder auf ihre Karten geschrieben haben und das Feedback meiner zwei Arbeitskollegen dazu hörte, war ich den Tränen nahe. Besonders als mir Sergio sagte, er habe so was immer schon einmal machen wollen und es eine Fügung des Lebens brauchte, damit er es heute tat, hatte ich doch gerade einen Kloss im Hals. Wenn mich jemand jetzt fragen würde, wie ich Jesus im Alltag erlebe, dann wäre dieses Beispiel bestimmt ein Würdiges. Es kommt immer auf die Perspektive darauf an! Nur weil ich aus meinem Blickwinkel etwas als (nicht) beachtenswert empfinde, heisst das nicht automatisch, dass dies auch für eine andere Person gilt. Dazu zwei aktuelle Beispiele. Eines ereignete sich auf der Rückfahrt, als wir Ale nach Hause brachten. Als ich sah in welcher Umgebung und unter welchen Umständen (sah das unverputzte Haus nur von aussen) lebte, schämte ich mich ein wenig. Scham darüber, doch einfach dankbarer zu sein mit dem was ich habe. Für sie ist das Alltag und völlige Normalität. Wenn man so aufwächst kennt man es nicht anders.
Das zweite Beispiel stammt vom bekannten Internetstar Jay Shetty. Ich werde es euch so gut wie es geht darlegen. Es handelt von einem Mann (A), der seinem besten Kollegen (B) mitteilt er würde eine sehr attraktive Dame (C) daten und ihm daraufhin ein Foto zeigt, worauf neben seiner Angebeteten auch noch eine weitere Frau (D) zu sehen ist. Als sein Freund daraufhin sagte es sei sicher die Frau im rechten Teil des Bildes, verneinte der Andere und wurde verunsichert. Beim darauffolgenden Date fokussierte sich A daher plötzlich auf mögliche optischen Mängel von C und begann daraufhin die andere Frau zu daten. Das Ganze mit der Fragerei wiederholte sich ein zweites Mal, wobei es aber dieses Mal C war, die von einem anderen Freund von A als attraktiv eingestuft wurde.
Ihr könnte euch die Moral der Geschichte vorstellen.

Wir dürfen uns erstens nicht auf Äusserlichkeiten beschränken und direkt darüber urteilen. Nicht die Umgebung ist das Problem, sondern wir und unsere Perspektive. Zweitens müssen wir uns selbst treu bleiben! Wenn du eine Frau/einen Mann liebst, die/den andere als zu wenig schön betrachten, lass dich nicht durcheinanderbringen, sondern gehe deinen Weg.

Tags darauf wurde ich spontan angefragt, ob ich gerne was kochen wolle. Ich habe zwar zuvor einmal meinen Wunsch dazu geäussert, jedoch nicht damit gerechnet es gerade ohne Vorbereitung zu tun. Nun gut. Leider gibt es nicht so viele schweizerische Gerichte, die als "gesund" eingestuft oder den Kindern schmecken könnten. So entschied ich mich schon einmal im Voraus Rösti machen zu wollen. Gesagt getan. Zwar wurden die geraffelten Kartoffeln im Ofen zubereitet, da die Bratpfanne nicht geeignet war, doch fand mein Gericht grossen Anklang. Es berührte mich sehr, als viele der Kids mein Essen rühmten und einer sogar das Rezept wollte. Was bin ich doch für ein gesegneter Mensch. Ohne grosses Zutun habe ich unbewusst ein zweites Mal den Nagel auf den Kopf getroffen.
Das meine ich, wenn ich von der Gnade Gottes spreche!
Spontan zu handeln und nicht immer auf den richtigen Moment mit der perfekten Vorbereitungszeit zu warten. Diese Art geht gegen meine Natur und genau darum ist es sinnvoll gelegentlich ins kalte Wasser zu springen oder halt reingeschubst zu werden.

Wie einige von euch wissen. war ich schon von Kindesbeinen an grosser Fan vom Universum und wollte lange Zeit Sternenforscher (Astronom) werden. Bis ich zu meinem Leidwesen realisierte, dass meine Stärken weder in der Mathematik noch in der Physik liegen und das Ganze doch etwas komplexer ist, als nur etwas in den Sternenhimmel zu schauen. Zum Glück gibt es dazu andere Menschen. Und dennoch kann ich mir als Laie wenigstens einen Eintritt ins örtliche Planetarium gönnen, um etwas in diese Welt einzutauchen. Die Show gefiel mir sehr gut und ich kam mir teilweise wie ein kleines Kind vor, das aus dem Staunen nicht mehr herauskommt. Es ging um die Sonne. Man lässt sich bräunen und wärmen durch sie, doch wirklich Gedanken macht man sich nicht darüber, was die Sonne überhaupt ist. Ein sehr faszinierender Stern. Schon alleine die Tatsache, dass der Kern um die 15 Millionen Grad Celsius aufweist und jede Sekunde 567 Millionen Tonnen Wasserstoff zu Helium umgewandelt werden, ist unglaublich.
Allgemein ist das Universum in seiner Art extrem spektakulär. Um bei der Sonne zu bleiben. Sie ist 109 mal grösser als unsere Erde und dennoch nur ein mittelgrosser Planet!
Wenn man dann noch realisiert, dass das Licht des am nächstgelegenen Sterns mehr als vier Jahre braucht, bis es die Erde erreicht, wird es noch unbegreiflicher. Wir sehen also die Vergangenheit, wenn wir am Abend uns am Funkeln des Himmelszelts erfreuen. Gleich neben dem Planetarium liegt ein wunderschöner Park mit integriertem Rosengarten. Eine wahre Oase, um die Seele baumeln zu lassen! Umgeben ist dieser Ort von einem künstlich angelegten See, wo man Pedalo fahren kann. Solche Momente sind so evident wichtig, um dem Körper + Geist eine Verschnaufpause zu geben. Gleiches erlebte ich letzthin, als ich zwei Stationen zu spät aus dem Zug ausstieg und dadurch den Hafen von Olivos kennenlernte.

Die Gegend rund um das ESMA-Museum hatte noch einige weitere Dinge zu bieten, die ich vor einigen Wochen nicht mehr sehen konnte. Daraufhin beschloss ich dies nachzuholen. Leider war der Parque de la Memoria aufgrund der Vorwahlen geschlossen (Ja, so läuft das hier in Argentinien). Es stehen Wahlen in Argentinien an und das ist ganz eine grosse Sache. Neben dem das wie erwähnt  viele Orte/Parks sogar am Tag der Vorwahlen geschlossen haben, wird überall darauf aufmerksam gemacht. Ja richtig indoktriniert wird man beinahe schon. Das krasseste Beispiel fand über Monte Chingolo statt, als ein Flieger seine Runden drehte und man Wahlparolen eines Präsidentschaftskandidaten hörte. Verrückt, nicht wahr?  Zurück zum Park. Der Parque de la Memoria gedenkt an all die Menschen, die während der Militärdiktatur ihr Leben lassen mussten. Auch wenn nur von aussen gesehen, versprüht dieser Ort, direkt beim Rio de la Plata, eine gewisse Atmosphäre. Ein Ort der Ruhe und Besinnlichkeit. Ich genoss den Blick auf das Wasser, den Wind in den Haaren und die wunderschöne Abendstimmung. Solche Momente machen das Leben lebenswert!


Jo's Corner

Die Fahrten mit Ben im Auto sind immer wieder inspirierend. Gerade kürzlich empfahl er mir einige Podcasts zuhören. Unter anderem den von Oprah Winfrey gehosteten Super Soul Sunday. Hierbei sagte Maya Angelou, eine berühmte afro-amerikanische Bürgerrechtlerin: "When you know better, do better". Welch treffende Aussage! Weg von der Gleichgültigkeit. Wir haben einen Auftrag und sind keine Fische, die immer mit dem Strom schwimmen sollen.

Schenke einem Bettler doch einmal einen Kaffee oder wenigstens ein Lächeln. Bleib stehen beim Strassenmusiker und applaudiere, auch wenn es sonst niemand tut. Mit solchen Gesten können wir etwas in unserem Umfeld und auf der Welt verändern.


 -Jo


Nunca mas en mi vida. Die Papierchen werden dem Feuer übergeben.

El Ateneo. Ein Paradies für Buchliebhaber.

Planetario Galileo Galilei

El Rosedal

Rösti à la Argentina

Black & White 4.0
Parque de la Memoria




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