Sonntag, 2. Juni 2019

Eingelebt

Buen dia a todos!

Es ist kalt geworden in Buenos Aires. Viele in der WG sind am husten und sehnen sich schon fast ein wenig nach der Rückreise ins warme Europa. Ich kann sie teilweise verstehen und doch muss ich sagen, dass ich den argentinischen/"buenosairischen" Flair vermissen werde. Er ist schwierig zu beschreiben, aber diese Vielfalt und der Reiz als würde man durch Paris schlendern, sind einmalig (Ich bin by the way grosser Paris-Fan). Auch die Leute sind m.E etwas alternativer in ihrer Art als im übrigen Teil Südamerikas, vielleicht sogar etwas rauer, was aber in einer Weise auch seinen Charme hat. Eventuell ist es aber auch der europäische Einfluss, der mir gut gefällt. Viele Shops, wo man "fancy" Lebensmittel einkaufen kann und gemütliche Cafés vermitteln irgendwie eine Wohlfühlatmosphäre. Gerade kürzlich lief ich durch die Strassen dieser Stadt und war einfach nur glücklich. Buenos Aires ist spannend mit all den diversen Gerüchen und Orten. Ich kenne mich hier langsam, aber sicher aus und verstehe auch ein wenig die Eigenheiten, welche hier gang und gäbe sind. Eingelebt. So kann man mein Gefühl/Zustand wohl nennen.

Am letzten Sonntag wurde ich gegen mein eigentliches Konzept von einer freiwilligen Mitarbeiterin im Gottesdienst angesprochen. Grundsätzlich wollte ich in der Masse der Besucher untertauchen und die Anonymität ausnutzen. Doch dem war glücklicherweise nicht so. Nach einem kurzen Gespräch erhielt ich die Handynummer eines Kleingruppenleiters. Das heisst Connecten mit anderen Christen in Buenos Aires. Coole Sache und definitiv ein Weg, um aus der Komfortzone rauszukommen. Am Donnerstag war es dann soweit und ich ging in die besagte Kleingruppe. Es war ein schöner Event, der zwar weder mit der Bibel noch sonst was mit dem Glauben als solches zu tun hatte, sondern einfach dem eigentlichen Kennenlernen "neuer" Gottesdienstbesuchern diente. Ich hatte erneut die Chance mein Spanisch zu trainieren und verbrachte einen amüsanten Abend mit anderen Christen.
Ich freue mich bereits in 14 Tagen wieder vorbeizugehen.

Mit dem Spanisch geht es immer wie besser. Es erfüllt mich zeitweise mit Stolz, dass ich ab und zu  bereits das Meiste verstehe, was die Leute sagen oder jedenfalls den Kontext der Unterhaltung (Ausnahmen nicht ausgeschlossen). Schwierig wird es, wenn die Personen schnell oder undeutlich reden. Mit dem Sprechen happert es bei mir (immer) noch, doch es geht auch da langsam vorwärts. Wie ich das in einem der ersten Blogbeiträge erwähnt habe, ist die Sprache das eigentliche Fundament, um Zugang zu einem gewissen Land und deren Leuten zu haben. Je mehr ich mir Spanischkenntnisse aneigne, desto mehr werde ich auch zu einem Teil der Einheimischen.
Man spricht mit mir, ich kann ein wenig antworten und sogleich ergibt sich ein kleines Gespräch.

Letztes Wochenende war ein Spezielles! Einerseits war am Samstag ein offizieller Feiertag und damit konnte man nicht ganz aus dem Vollen schöpfen, was programmtechnisch normalerweise möglich wäre. Andererseits waren wir das ganze Wochenende nur zu fünft in der WG, da der Grossteil in Uruguay war (Yeah!). Das war Erholung pur. Ruhe, Gemütlichkeit, sich etwas gönnen. Genau mein Geschmack! (Anmerkung : Wir haben jede Woche einen gewissen Betrag für das Essen zur Verfügung, den wir ausgeben können. Durch das, dass wir nur zu fünft waren, haben wir richtig gediegen gegessen). Am Samstag ging ich am späteren Nachmittag in ein Café, ungefähr 15 Gehminuten von unserer WG entfernt, um zu schreiben und zu lesen. Ich habe richtig Gefallen daran gefunden zwischendurch in ein solches Lokal zu sitzen und einfach "sein" zu dürfen. Cafés besitzen durch die Diversität der Kunden, den in der Luft liegenden Kaffeeduft und den zarten Hauch von Intellektualität, das gewisse Etwas.

Tags darauf halfen wir als Volunteers dann beim Finale des Arte-Latte-Wettbewerbs mit. Schön war dabei, dass dieses Mal auch die Mitarbeiter aus Monte Chingolo dabei waren. Monte Chingolo ist ansonsten etwas von der Hauptstadt abgenabelt und deren Einwohner gehen selten bis gar nie nach "Downtown Buenos Aires". Ich bin immer noch hellbegeistert vom Projekt. Die Wertschätzung, die mir jedes Mal entgegengebracht wird, meine persönliche Entwicklung, welche von Seiten der Projektleiter erwünscht ist und die vielgepriesene Vielseitigkeit sind Spitzenklasse!
Etwas Besonderes muss ich an dieser Stelle aber noch zusätzlich hervorheben. Die neuen Gerichte resp. deren Abwandlungen, die ich kennenlern(t)e.Beispielsweise Brownies aus Indianerbohnen, glutenfreie Crackers aus Maniok- und Kichererbsenmehl oder Kartoffelgratin mit Chiasamenfüllung. Eine wahre Inspirationsquelle für einen kochbegeisterten Menschen wie mich. Ben ist für mich dabei ein grosses Vorbild! Die ganze Auseinandersetzung mit Ernährung und gesundem, ausgeglichenem Lebensstil faszinieren mich sehr.

Vor zwei Tagen fand das allwöchentliche Seminar in einem Plenarsaal der Universität Buenos Aires statt. Wir besuchten einen Teil eines zweitägigen Kongresses, der sich mit dem barrierefreien Studieren für Menschen mit kognitiven oder köperlichen Einschränkungen befasste. Häufig muss man sicher wieder vor Augen halten, welches Privileg wir "gesunde" Menschen (nicht despektierlich gegenüber anderen gemeint!) geniessen dürfen laufen, sehen und hören zu dürfen.
Und dennoch sehen wir es viel zu oft als selbstverständlich an...

Gestern machte ich einen Abstecher nach Chinatown (ja auch Buenos Aires besitzt eines). Wobei man eher von einer Strasse sprechen kann, denn so gross ist diese "Stadt" auch wieder nicht. Die Atmosphäre und die Produkte in den jeweiligen Läden stimmten mich ein wenig nostalgisch und versetzten mich in meine beiden China-Aufenthalte zurück. Chinesen sind sowieso ziemlich präsent in Buenos Aires. Immer wieder sieht man Läden des täglichen Bedarfs, die von Chinesen geführt werden (im Volksmund "Chinos" genannt). So sah ich sogar einmal einen Laden, der sich "ArgenCHINO" nannte ;-). Ziemlich befremdend und teilweise ein wenig beängstigend.


Jo's Corner:

Am Mittwoch hatten wir ausnahmsweise frei, da Ben eine Erkältung auskurieren musste. Das heisst einen ganzen Tag frei während der Woche. Und dann kam er. Der innere Schweinehund. Anstatt Spanisch zu lernen oder etwas für das Seminar zu suchen, sah ich mir zuerst einmal ein paar Dokus an. Viel Zeit zu haben ist nicht nur positiv... Gelegenheit macht Diebe: Zeitdiebe! Erst als meine Augen bald schon mehr viereckig als rund waren, stoppte ich das Ganze und machte mich an die richtige Arbeit. Doch ich war verspannt und unkonzentriert. Nach längerem Hin- und Her überwand ich mich ins Gym zu gehen und ES TAT GUT. Trotz meiner leicht angeschlagenen Gesundheit machte ich mich auf den Weg ins Fitnesscenter und trainierte meinen Kräften entsprechend.
Was heisst das?
Binsenwahrheit: Zuerst die Arbeit und dann das Vergnügen.

Mach zuerst das Ungemütliche/Unbequeme und geniesse anschliessend deine "Belohnung". Strukturiere deinen Alltag, damit du am Ende des Tages zufrieden sein kannst und nichts bereust :-)


-Jo




Bienvenido a Chinatown
Streetart

Locro. Das nenne ich südamerikanische Essenskultur!
Aus der Rubrik: "Es fährt und hat vier Räder"


Die Monte Chingolo Band ;-)
  



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