Nur noch acht Wochen und dann betrete ich wieder Schweizer Boden. Ist es nicht erstaunlich, wie sich der Mensch an neue Umstände anpassen kann? Vor einem Vierteljahr habe ich mir gedacht, wie ich diese sechs Monate wohl überstehen werde und nun ist total die Routine eingekehrt und ich fühle mich fast schon ein wenig wie zu Hause. Der Herbst zeigt sich, nach der etwas kälteren Periode, wieder von seiner schönsten Seite. Milde Temperaturen, schöne Sonnenuntergänge. Genau das, was ich liebe.
Am Dienstag ging ich mit einer Kollegin erneut Tango tanzen. Doch dieses Mal war der Unterricht etwas chaotischer. Es gab nicht wirklich ein Konzept und nach der Einleitung und dem Aufwärmen wurden zwischendurch ein paar kleine Hilfestellungen angeboten. So oder so habe ich wieder ein klein bisschen mehr über diesen Tanz erfahren. Die Faszination bleibt bestehen. Die wunderbare, sinnliche und von grösster Eleganz zeugende Ausdrucksweise, finde ich jedes Mal aufs Neue genial. Es ist von zentraler Bedeutung auch mit kleinen Dingen etwas anfangen zu können. Sich an kleinem freuen und nicht immer das Opfer des Perfektionismus zu sein (ich spreche aus Erfahrung).
Am Donnerstag widerfuhr mir etwas Spezielles. Ich war aufgrund des Wine Wednesdays noch etwas müde und döste im Bus so vor mich hin, als dieser anhielt und Polizisten eintraten. Ihr könnt 100x raten wen sie mitunter ausgesucht haben, um den Omnibus zu verlassen und eine Personenkontrolle durchführten. Glücklicherweise hatte ich eine Passkopie bei mir und verstand die Beamten zu wenig. Ja, Missverständnisse und Unwissenheit sind bei jemandem, der erst seit drei Monaten am Spanisch lernen ist natürlich an der Tagesordnung. Zwischendurch kann dieser Nachteil aber auch als Vorteil dienen. Man verhält sich einfach wie ein "dummer" Tourist und sogleich ist man nicht mehr ein allfälliger Drogendealer ;-). Dafür erlebte ich im Projekt einen wunderbaren Nachmittag.
Donnerstags ist jeweils freies Spiel angesagt. Dafür gehen wir zu einem nahegelegenen Platz und nehmen einige Bälle und sonst welche Spiele mit. Dieses Mal jedoch auch noch Musikinstrumente. Repiniques, Surdos und Bombos. Let's groove it! Es tat richtig gut wieder einmal frei zu "drummen" mit den Kids. Besonders Santi, der zu den Auffälligsten gehört (Anm.: Der Junge, der mehrere Jahr Babynahrung erhielt) hat ein grosses Talent, wenn es um Rhythmus geht oder sonst was mit den Händen gemacht werden muss. Die Kinder haben sonst keine grossen Möglichkeiten vielseitig Neues zu entdecken. In diesem Projekt wird Verborgenes zum Vorschein gebracht. Das ist meine absolute Leidenschaft. In jedem Menschen steckt Talent und Begabung, manchmal muss man es nur ein wenig suchen gehen! Deshalb mein Zuspruch heute an dich: Du bist wertvoll & dein Talent wird gebraucht!
Am Samstag wollte ich eigentlich einem Hobby aus meiner Kindheit frönen. Neue Zuglinien und Züge ausprobieren. Ziel wäre die Villa Lugano gewesen, ein südlicher Teil von Buenos Aires, der durch eine Strassenbahn erschlossen wird. Als "echter Schweizer" und Tessin-Fan, so dachte ich mir, muss ich diesen Ort doch fast besuchen gehen. Glücklicherweise machte ich mich am Abend vorher noch schlau. Denn beim Wort "Villa" klingelten bei mir plötzlich die Alarmglocken und ich sollte recht behalten. Villa, zu Deutsch Dorf, ist in Argentinien meist die Bezeichnung für Armenviertel/Slum. Durch die etwas abgelegenere Lage der Villa Lugano und Soldati gerät dieser Teil Buenos Aires ein wenig in Vergessenheit. Das ist mitunter ein Grund, weshalb es sich um einen sozialen Brennpunkt handelt. Ich verbrachte daher meinen Samstag mit Sport, Erholung und Lesen.
Ein weiteres Erlebnis machte ich kürzlich. Da die Köchin krank war, übernahm ich das Kochen und bereitete erneut Arroz con Pollo zu (das war so nicht abgemacht, sondern stand offiziell auf dem Menu-Plan ;-) ). Um eine lange Story kurz zu halten. Alles lief einwandfrei bis auf den Fact, dass praktisch alle Kinder mir sagten: "Johnny, la comida es muy picante hoy" (Johnny, das Essen ist heute gut gewürzt/pikant). Die Kinder, aber auch allgemein die Argentinier sind sich Schärfe gar nicht gewohnt und ich musste innerlich schmunzeln, da das Mittagessen im Vergleich zu meiner sonstigen Liebe zu Schärfe, nicht einmal einen Bruchteil dessen aufwies wie ich es grundsätzlich mag. Ich lerne immer wieder Neues dazu. Am darauffolgenden Tag durfte ich erneut den Kochlöffel schwingen und die Kids hatten offensichtlich ein Trauma durch die gut gewürzte Salsa des Vortages. Ohne zu Zögern äusserten sie ihre Bedenken dementsprechend in der Einfindungsrunde😄.
Um noch mehr von Argentinien und Buenos Aires zu entdecken, will ich mich zum Ende meines Einsatzes noch intensiver mit den Leuten und der Geschichte dieses Landes auseinandersetzen. Dazu nehme ich mir unter anderem vor, nach meinen Ferien einerseits ins ESMA-Museum zu gehen (Geschichte über die Diktatur Argentiniens), sowie regelmässig an Mundolingo- oder weiteren Sprachevents teilzunehmen. Diese sind dafür gedacht, mit anderen Menschen in einer Bar die eigenen Fremdsprachenkenntnisse zu verbessern und Kontakte zu knüpfen.
Jetzt geht es aber erstmal in den Norden und Nordwesten Argentiniens. Wiederum lasse ich Onkel Laptop zu Hause und freue mich riesig, euch dann in knapp drei Wochen von meinen Abenteuern zu erzählen!
Jo's Corner:
Manchmal muss man etwas, was einem wertvoll und wichtig erscheint loslassen, damit man selbst im Leben weiterkommt. Solch ein Prozess des Abschieds ist schmerzhaft und kann an die Substanz gehen. Doch im Ende wird man dadurch stärker.
Mach dich auf den Weg, hab keine Angst!
Hierzu ein passendes Bild:
*Für eine sichere und beschwerdefreie Reise
*Guter Zusammenhalt zwischen mir und meinem Kollegen
*Weisheit für die kommenden Monate (Rückkehr Schweiz, Studium, Wohnen bei den Eltern usw.)
-Jo
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