Montag, 20. Mai 2019

Halbzeit - Halftime - Mitad


Tres meses en Argentina 😊

Halbzeit. Wow! Nun bin ich tatsächlich schon ein Vierteljahr hier in Buenos Aires. Wie die Zeit vergeht... Fast unheimlich. Kennt ihr das Gefühl zwischen Vorfreude und Wehmut? Genau so geht es mir ab und zu. Vorfreude auf meine Rückkehr in die Schweiz, Wehmut Argentinien zu verlassen. Es ist jedenfalls toll, dass ich nochmals drei Monate Zeit habe weitere Dinge zu erledigen, die noch auf meiner Bucket-List stehen. Ich bin noch nicht bereit nach Hause zu gehen. 

An dieser Stelle möchte ich noch etwas mehr über gewisse Details im Projekt erzählen. Das erste Ding nennt sich METVISA und ist die Maschine schlechthin für das Projekt. Dank diesem Ungetüm lassen sich diverse Nahrungsmittel (insbesondere Gemüse) kleinhäckseln, damit sich die Kinder gesund ernähren, ohne die perfekte Möglichkeit zu erhalten Gemüsestückchen aus dem Essen zu fischen. Das Gemüse im Allgemeinen, wird nach der Zustellung durch den Lieferanten mehrheitlich mit der Maschine gehäckselt und in Tupperwares abgefüllt, damit man für die Zubereitung der Gerichte Zeit gewinnt. Für jede Woche gibt es einen Essensplan, was sowohl strukturtechnisch als auch finanziell sinnvoll ist. Des Weiteren ist das Thema Abfall und Wiederverwertung zentral. Mit den organischen Abfällen wird Kompost produziert, der für den momentan in Planung stehenden Garten gebraucht wird. Ausserdem werden Plastik, Karton/Papier und weiterer Müll separiert und individuell verwendet. Besonders der Karton wird häufig für den selbstgebauten Ofen zum Anfeuern gebraucht. Dies ist zeitweise meine Aufgabe und ich habe Gefallen daran gefunden. Insbesondere  der Geruch nach verbranntem Holz versprüht irgendwie eine besondere Stimmung. Ich geniesse es ausserdem sehr mit den Kindern zu spielen; sei es Basketball, Huckepack oder auf eine freundschaftliche Art ein wenig zu raufen/rumzutollen. Einfach mal wieder Kind sein zu dürfen! 

Am Sonntag habe ich es endlich geschafft eine Church zu besuchen. Und es war keine geringere als die weltberühmte Hillsong Church, die hier in Buenos Aires ebenfalls einen Ableger hat. Der Gottesdienst fand in einem Theatersaal statt und war genau das Richtige, was ich an diesem Sonntagnachmittag gebraucht habe. Grossartige Anbetungszeit, gute Atmosphäre und tiefgründiger Input. Das ist Erholung pur und tut mir enorm gut. Der Glauben hilft mir auch in schwierigen Zeiten dranzubleiben (passend dazu das Thema der Predigt "La Calma in mi tormentas" = Die Ruhe in meinen Stürmen). 
Am Abend tat ich etwas richtig Argentinisches. Anlässlich des Abschieds eines Volunteers gingen einige Volunteers und ich in ein Restaurant. Und dann, ja dann gabs FLEISCH resp. Asado. Von Steak über Hähnchen bis hin zu Wurst und Innereien. Ich als 90% Vegetarier nutzte die Gunst der Stunde und gab den 10% des Karnivoren in mir den Vortritt ;-). Mutig probierte ich alle "Köstlichkeiten". Was mir daran besonders gefiel war die Neugierde, einfach, ohne gross nachzudenken, die unbekannten Dinge auf der Schlachtplatte zu probieren. Symbolisch kommt mir zu diesem Thema ein Bild in den Sinn, das ich vor längerer Zeit einmal von jemandem erhalten habe. Es geht darum, dass man den einfahrenden Zug aus der Distanz sieht und weiss, dass man diesen nur noch mit Mühe und Not erreichen wird. Was macht man jetzt? Entweder kann man aufgeben und sich einreden, es habe keinen Sinn auf den Zug zu rennen oder es probieren und sich im Nachhinein wenigstens keine Vorwürfe machen zu müssen. Ich jedenfalls entschied mich bzgl. dem Asado für Variante 2 und bereute es nicht. Klar, es schmeckte mir nicht alles. Spannend war es trotzdem. Dennoch ist diese Zelebrierung des Rindfleisches nicht das Meinige und ich werde dem Ganzen daher höchstens für einen speziellen Anlass nochmals beiwohnen.

Der Freitag ist mein Seminar- und Spanischkurstag. Jeweils eine Stunde lang 1:1 Spanischunterricht mit einer wirklich tollen Lehrerin. Cecilia bringt mir durch ihre humorvolle, geduldige und abwechslungsreiche Art die Spanische Sprache auf eine interessante Art bei.
¡Vamos a practicar el español! Spannend ist es besonders zu realisieren, was es heisst eine Sprache von Grund auf neu zu lernen und schrittweise auch mit den Tücken konfrontiert wird. Was bei mir im Hochdeutschen von alleine abläuft, muss ich mir hier erarbeiten. Man realisiert erst jetzt wie eine Sprache aufgebaut ist, wie und wann man welche Zeitform verwendet oder etwas sagen kann.

Es gesellte sich am letzten Freitag aber noch etwas Weiteres dazu. Impfen. In Argentinien ist die Öffentliche Gesundheit gratis und dies nicht nur für Einheimische. So hatte ich die Möglichkeit die empfohlene Gelbfieberimpfung gratis nachzuholen. Besonders wichtig im Hinblick auf die bevorstehende Reise nach Iguazu. Lustig war das ganze Prozedere, welches nicht einmal zwei Minuten gedauert hat. Nachdem die Formalitäten geklärt waren, ging ich in ein kleines Zimmerchen.
Eine Pflegefachfrau hielt schon eine Spritze bereit, impfte mir das Serum in den Arm, desinfizierte die Einstichstelle und das wars ;-) Als wäre es Fliessbandarbeit. Da sich die Impfstation im berühmten Viertel "La Boca" befindet, nahm ich diese Gelegenheit gerade war und stattete diesem Ort einen Besuch ab. Sehr farbenfroh und interessant, jedoch leider ziemlich touristisch und es gab nicht sehr viel zu sehen. Man konnte gelegentlich den Charme dieses Viertels herausspüren und sich in die Zeit zurückversetzen, als dieses Bario noch kein so grosser Touristenmagnet war, sondern ein Quartier der zugezogenen Italienern und des "echten" Tangos (jetzt gibt es dort nur noch inszenierte Darbietungen bei gewissen Restaurants). Als Fussballfan musste ich dann am Schluss natürlich noch schnell beim Stadion der Boca Juniors vorbei. Die zwei zentralen Clubs in Buenos Aires/Argentinien sind Boca Juniors und River Plate. Beide bis aufs Blut verfeindet. Entweder man ist für blau-gelb oder rot-weiss. Es ist nicht nur ein Duell auf dem Fussballfeld, sondern auch der sozialen Klassen. Boca ist ein Arbeiterverein, währenddem Riverfans meistens aus der Mittel- oder Oberschicht stammen.

Ich entdecke zunehmend stärker, wo meine Leidenschaften liegen und es macht mir Spass in diese Bereiche zu investieren. Beispielsweise Ausschau nach Street Art oder allgemein Kunst zu halten, mehr unverpackte Nahrungsmittel zu kaufen und einfach  Zeit zu haben für Dinge, die mir am Herzen liegen. Argentinien ist challenging, aber dieses Erlebnis tut mir gut und ich finde immer wie mehr zu mir selbst. Ein Beispiel war mein erneuter Ausflug nach Palermo, um Graffitis zu fotografieren [habe euch ja ein Update versprochen ;-) ]. Dieser etwas alternativ angehauchte, leicht hipstermässige (Lebens)stil mit urbanen Einflüssen gefällt mir sehr. 

Zurzeit beschäftige ich mich fest mit der Ferienplanung. In knapp vier Wochen geht meine zweite Reise los. Dieses Mal in die entgegengesetzte Richtung. Ich freue mich sehr darauf den Norden
Argentiniens, inklusive der weltberühmten Wasserfälle, zu erkunden. Besonders aber auch auf die schweizerische Unterstützung in Form eines guten Kollegen, der mit mir zusammen reist.


Jo's Corner: 

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und es ist viel einfacher mit dem Strom als gegen ihn zu schwimmen. Und dennoch ist es von zentraler Wichtigkeit zu seiner inneren Haltung zu stehen, auch mal anzuecken oder ein Kopfschütteln beim Gegenüber zu verursachen. Schäme dich nicht dafür das "Richtige" zu tun auch wenn es andere nicht so sehen. Es ist besser von anderen nicht verstanden zu werden, als sich selbst zu betrügen/belügen.

Martin Luther King stellte dies sehr treffend fest:

“Never, never be afraid to do what's right, especially if the well-being of a person or animal is at stake. Society's punishments are small compared to the wounds we inflict on our soul when we look the other way.”


-Jo





Panoramaansicht des Vorplatzes. Rechts ist die Küche, daneben der Essensraum.Auf der linken Seite eine Halle für diverse Aktivitäten

Bild der cancha (Sportplatz)


Hillsong Gottesdienst

Ä Guete ;-)

Streetart in La Boca

La Boca!

Volunteers in der Theaterklasse

Streetart Palermo

Streetart 3.0





Sonntag, 5. Mai 2019

Nachdenklichkeit und Updates

Como estan mis amigos?

Dank dem Theaterlehrer in unserem Projekt, besuchte ich mit einigen anderen Volunteers zusammen am vorletzten Samstag eine Improshow. Wir wurden in den Raum hineingeführt, nahmen Platz und wechselten dann während ca. 90 Minuten zweimal den "Schauplatz", um insgesamt drei verschiedene Szenen zu sehen. Die ganzen Handlungen machten den Eindruck, als wären sie im vorhinein bereits einstudiert worden. Doch der Co-Worker teilte uns nach der Vorstellung mit, dass die einzelnen Schauspieler lediglich mehrere Charaktere zugeteilt bekamen und dann Alles spontan machen mussten.Wirklich beeindruckend! Hat mich gerade (wieder) animiert mit dem Theater spielen zu beginnen.Was die Theaterklasse in unserem Projekt betrifft , hilft mir diese mehr aus mir herauszukommen und ein wenig meine Komfortzone zu verlassen. Das Projekt im Generellen inspiriert mich kreativer zu werden. Sei es in Zukunft selber mehr Dinge zu kochen/backen, zu malen oder sich anderweitig auszutoben. 
Nach dem Theater gönnten wir uns im Szeneviertel Palermo einen wirklich guten Burger (Burger Joint; gehört angeblich zu den besten Burger in der Stadt). Palermo ist sowieso ein toller Ort für einen Hipster wie mich 😎 Trendy und viel Streetart (Updates folgen).

In Palermo war es auch, wo ich mich zum zweiten Mal mit der Ex-Volunteerin aus der Schweiz traf. Dieses Mal mit ihrer Kollegin zusammen, welche ebenfalls aus der "Heimat" kommt ;-). Und das Thema Heimat war auch eines der Hauptthemen über das wir sprachen. Durch dieses Gespräch wurde ich wieder an meine äthiopischen Wurzeln erinnert. Man lebt tagein tagaus mit diesem reichen Schatz und nutzt dabei die Chance nicht, welche sich darin verbirgt. Halber Äthiopier zu sein betrachte ich als eine Chance und Privileg!

Ja der liebe 1. Mai... (ist ein Feiertag in Argentinien). Hier wird das Ganze wirklich noch "ernst" genommen dh. keine U-Bahn, kein Bus, einfach nichts an ÖV fährt an diesem Tag. Und weil es so schön ist, begann die Arbeitsniederlegung bereits am Dienstag. Glücklicherweise wurden wir am 30. April von Ben nahe unserer WG abgeholt. Spannend war es dann am nächsten Tag, weil praktisch alle Volunteers da waren --> Hat du kein ÖV, mut du su Hause bleiben😉

Um ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern: Ich finde es in der letzten Zeit spannend zu realisieren, wie ich Dinge vermisse , die rein von aussen betrachtet vielleicht gar nicht so von grosser Bedeutung sind. Zum Beispiel mit meiner Mutter in die IKEA zu fahren und zu frühstücken, 
mit meinem Vater zu fachsimpeln oder einfach mal wieder mein liebes Drum zu malträtieren.
Allgemein kommen mir gelegentlich Erlebnisse aus der Vergangenheit (u.a Kindheit) in den Sinn.  Die vielen Besuche im Tierpark Dählhölzli oder den legendären Spinatkuchen meiner Grossmutter. Vielleicht ist es auch der Herbst mit seiner Melancholie, der mich etwas in diese Stimmung versetzt. Ich liebe diese Jahreszeit und deren "Atmosphäre", die sie durch die farbigen Blätter, den Duft des Windes und der rötlich schimmernden Sonne erzeugt, enorm.

Am vergangenen Freitag halfen wir am Abend bei einem Arte Latte-Contest mit, der von unserem Projekt initiiert wurde. In einem Hipster-Café zeigten verschiedene Milchschaumkünstler ihr Können indem sie gegeneinander antraten. Währendessen verkauften wir Volunteers Kuchen und Drinks. Die Grosszügigkeit von Ben hat mich dabei berührt. Wir durften uns bei den (alkoholischen) Getränken bedienen, bekamen Lose für den Wettbewerb (er verschenkte viele Packungen Kaffee von seiner Cafeteria in Neuseeland) und am Schluss lud er mich beim Nachtessen ein, weil ich zu wenig Geld dabei hatte. Mag nach nicht viel klingen, aber es kommt auf die Geste drauf an. Besonders, da er sicher nicht das höchste Salär hat. Grosszügigkeit ist etwas, das ich bewundere! Der Event wird nun noch zwei weitere Male stattfinden. Möge der/die Beste gewinnen.

In Buenos Aires sieht man immer wieder Kurioses & Witziges.
Wie verdient man als Strassenmusiker (hoffentlich) mehr Geld? In dem man zu zweit auf je einer Seite der Metrostation zusammenspielt. Sprich; Der Gitarrist auf dem einen Bahnsteig und die Geigerin auf dem Gegenüberliegenden.
Man sieht Autos, bei denen man von Glück sprechen kann, dass sie überhaupt noch fahren können [besonders natürlich in Monte Chingolo; die Schweizer Motorfahrzeugprüfer würden beim Anblick wahrscheinlich des Öfteren knapp an einem Herzinfarkt vorbeischrammen ;-) ]. Oder, um bei den Autos zu bleiben; Ist es nicht toll, wenn jedes Mal Gioachino Rossini's Wilhelm Tell Ouvertüre gespielt wird, wenn man seinen Wagen mit dem Zündschlüssel abschliesst?

Man könnte gemäss den Angaben im Blog meinen, es sei Alles perfekt und ich mache tagtäglich immer wieder Fortschritte usw. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Es harzt ein wenig mit dem Spanisch und besonders an diesem Wochenende (es regnete zwischendurch), holte mich der innere Schweinehund wieder ein wenig ein.
In dieser Hinsicht will ich euch nichts vormachen. Klar, es hat keine weitreichenden Konsequenzen, wenn ich den eigentlich geplanten Gottesdienstbesuch auf nächste Woche verschiebe. Ich konnte die Zeit für Anderes nutzen, aber es geht mir um den Grundsatz.
Die Geschichte eines tamilischen Ehepaares ging mir dabei kürzlich ziemlich nahe. Beide betrieben zusammen einen Kiosk im Lorraine-Quartier. Sie starben kurz vor ihrem Abreisetag während des Frühstücks durch einen der Selbstmordattentäter in Colombo. Die beiden Söhne, welche mitgereist sind, überlebten, weil sie noch im Hotelzimmer waren. Ich möchte damit nicht auf die Tränendrüsen drücken, sondern viel mehr das Bewusstsein schärfen, die Zeit nicht als ein selbstverständliches Gut zu betrachten. Hier habe ich persönlich noch grosses Verbesserungspotential.

Nun bin ich bald drei Monate hier und  habe euch ja noch gar keine Bilder gezeigt, wie und wo ich lebe. Dies werde ich natürlich schnellstmöglichst nachholen. Untenstehend erhaltet ihr einige Eindrücke

 Jo's Corner:

In unserer heutigen Zeit wollen wir alles und zwar sofort, ohne auch nur eine Sekunde dafür zu verschwenden auf etwas zu warten (mich nicht ausgeschlossen). Weshalb fällt es uns so schwer uns dagegen zu wehren? Ich vergleiche es (vielleicht ein wenig klischeehaft) mit der Vorfreude auf Weihnachten oder der Sehnsucht jemanden wiederzusehen. Klar, man könnte alle Hebel in Bewegung setzen und sich jetzt bereits das heissgeliebte und so ersehnte Geschenk kaufen oder versuchen die Person irgendwie zu treffen. Doch lerne ich immer wie mehr, wie schön es ist, sich wie ein kleines Kind auf etwas zu freuen, das noch in einiger Entfernung liegt.
Ein anderes Bild ist der Vergleich Wanderung vs. Bergbahn. Es wäre mit keiner grossen Anstrengung verbunden in die Bergbahn einzusteigen und den Hügel hinaufzufahren. Doch ist es nicht ein viel besseres Gefühl, wenn man den Wanderweg unter die Sohlen nimmt und dann nach einigen Stunden den Gipfel erreicht und sich darüber freut endlich oben angekommen zu sein?

Nimm nicht immer den einfachen Weg; durch Verzicht, Selbstbeherrschung und Geduld kannst du Grosses erreichen.  

Oder, wie es in abgeänderter Form Dr. Ben Carson zu pflegen sagt:
Through hard work, perseverance and faith in God you can live your dreams.

-Jo


Theater, Baby!




Arte Latte-Contest

Mein Zimmer (don't worry, todo bien) ;-)

Wohnzimmer

Aussicht vom Balkon aus
Pizza Pizza!

Nelson Mandela im Burger Joint Restaurant